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Kaufverhalten am Point of Sale (POS) in der Bäckerei
Ein tiefgehendes Verständnis des Kundenverhaltens ist kein „weicher Faktor“, sondern eine harte, betriebswirtschaftliche Notwendigkeit zur Maximierung von Umsatz und Gewinn. Die Verkaufsfläche, insbesondere die Theke, ist die Bühne, auf der in wenigen Sekunden Kaufentscheidungen getroffen werden. Die Optimierung dieses First Moment of Truth (FMOT) basiert auf der Analyse von Kundentypen und deren psychologischen Verhaltensmustern.
Kundensegmentierung am POS
Für das Controlling und die Verkaufsstrategie lassen sich unsere Kunden am Point of Sale (POS) primär in drei Segmente einteilen, die jeweils über spezifische KPIs gesteuert werden müssen:
- 1. Der Bedarfskäufer:
- Verhalten: Dieser Kunde hat einen vordefinierten Bedarf und kauft gezielt und schnell. Seine Besuche sind frequent, der durchschnittliche Warenkorb ist jedoch meist gering.
- KPIs: Transaktionsgeschwindigkeit, Wartezeit.
- Strategie: Optimierung der Abläufe, klare Platzierung von Standardprodukten. Geringe, aber vorhandene Potenziale für schnelles Cross-Selling.
- 2. Der Impulskäufer:
- Verhalten: Trifft ungeplante Kaufentscheidungen direkt an der Theke. Reagiert stark auf sensorische Reize (Duft, Optik) und Sonderangebote.
- KPIs: Artikel pro Bon, Marge der Impulsartikel.
- Strategie: Gezieltes Visual Merchandising. Platzierung von margenstarken Produkten (süße Teilchen, Snacks) in den „goldenen Zonen“ der Theke.
- 3. Der Großeinkäufer:
- Verhalten: Kauft planvoller für mehrere Personen oder Anlässe (z.B. Wochenende). Der Warenkorbwert ist hoch, die Besuchsfrequenz oft niedriger als beim Bedarfskäufer.
- KPIs: Durchschnittlicher Bonwert, Kundenbindung.
- Strategie: Bundle-Angebote, Familienpakete, Treueprogramme.
Wahrnehmung und das Entscheidungsfenster
Die Zeit, in der ein Kunde eine aktive Kaufentscheidung trifft, ist extrem kurz. Studien deuten auf ein kritisches Entscheidungsfenster von 3-7 Sekunden hin. In dieser Zeit entscheidet sich, ob ein Produkt wahrgenommen und als kaufrelevant eingestuft wird.
Ist die Warenauslage zu unübersichtlich oder die Auswahl zu groß, tritt das Phänomen des Choice Overload ein. Der Kunde ist kognitiv überfordert, bricht den Auswahlprozess ab und greift auf die einfachste, bekannte Option zurück („ein normales Brötchen“) oder kauft weniger als beabsichtigt. Dies senkt den durchschnittlichen Bonwert direkt.
Relevante Studien und Konzepte
Die Optimierung des POS basiert auf etablierten Konzepten der Konsumpsychologie und Marktforschung:
- Paco Underhill („Why We Buy“): Seine Beobachtungsstudien zeigen, wie physische Layouts das Kaufverhalten steuern. Eine Kernbotschaft ist die Notwendigkeit, dem Kunden einen klaren visuellen Pfad zu bieten.
- Eye-Tracking-Studien: Empirische Messungen der Blickbewegungen von Kunden belegen objektiv die Existenz von „goldenen Zonen“ in Regalen und Theken (meist auf Augenhöhe und leicht rechts der Mitte). Sie beweisen, dass eine Reduktion der visuellen Komplexität die Verweildauer des Blicks auf margenstarken Produkten erhöht.
- Satisficing (Herbert A. Simon): Dieses nobelpreisprämierte Konzept erklärt, warum Kunden bei einer Reizüberflutung nicht die „beste“ Option suchen, sondern die erste, die „gut genug“ ist. Eine zu große Auswahl führt also paradoxerweise nicht zu besseren Entscheidungen, sondern zu einfacheren, oft weniger wertvollen Käufen.